In der „Zukunft Bauen" findet die fiktive „Klimaschutznotverordnung 2021" von Wojciech Czaja sehr reale Zustimmung mit Noten zwischen 1,51 und 2,72: 30 Maßnahmen - wie die sechs ausgewählten zum organisatorisch-rechtlichen Rahmen - sollen mehrheitlich „sofort“ oder „so bald wie möglich“ umgesetzt werden. Am dringendsten nötig wäre eine „Einheitliche österreichische Bauordnung“ (Note 1,51). Etwas weniger Eile hat die Baubranche mit "Baulandwidmungen befristet aussetzen" (Note 2,52 / Rang 27.) und „Neubau minimieren“ (Note 2,67 / Rang 29.) mit 52 bzw. 46 Prozent Zustimmung.
Deutlich mehr Zuspruch bekommen drei andere organisatorische Veränderungen im Bauwesen:
74 Prozent für „Qualifizierte Mehrheit an Gemeinschaftseigentümern reicht aus, um Verbesserungsmaßnahmen im Sinne des Klimaschutzes umzusetzen“ (Note 1,95 / Rang 9.)
73 Prozent für „Mietzinsrücklagen auch für Maßnahmen zur thermischen und klimagerechten Sanierung“ (Note 1,98 / Rang 11.)
63 Prozent für „Unabhängiger Flächenbeirat zur Bewertung von Ver- und Entsiegelungsansuchen“ (Note 2,25 / Rang 19.).
Fazit: Die Baubranche ist bereit für die notwendigen Schritte, wie auch Martin Putschögl in seinem Artikel über die Befragungsergebnisse im Standard vom 28.9.2020 feststellt:
"Notverordnung" fürs Klima: Baubranche durchaus willig
Der Originalbericht „aus der Zukunft" von Wojcziech Czaja erschien im Standard mit dem Titel
Zukunftsvision: Klimaschutznotverordnung 2021
Die Corona-Krise beweist, dass wir in der Lage sind, unser Verhalten zu ändern. Was, wenn sich die Bundesregierung der Klimakrise genau so entgegenstellte? Ein Zukunftsbericht von Wojciech Czaja
Wien, 21. März 2021 – Heute zu Mittag haben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und die grüne Umweltministerin und CO2-Ausschuss-Vorsitzende Leonore Gewessler in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz die Klimaschutznotverordnung 2021 (KliNo) bekanntgegeben, die am 1. April 2021 in Kraft treten soll. Das Paket der türkis-grünen Regierung geht mit aller nötigen Konsequenz gegen die fortschreitende globale Klimakrise vor und erinnert mit seinen zum Teil harten Maßnahmen, die von Bund, Land, Gemeinde, Baupolizei, Klimamiliz und CO2-Ausschuss rigoros umgesetzt werden sollen, an das temporäre "Corona-Gesetz", das vor genau einem Jahr als Reaktion auf die sich ausbreitende Krankheit Covid-19 vom Nationalrat verabschiedet wurde. Neben diversen Konsumkontingentierungen von nicht täglich benötigten Gebrauchsgütern pro Kopf, drastischen Einschränkungen im privaten und beruflichen Luftverkehr sowie verschärften Vorschriften für Industrie und Logistik, die anhand eines 24-monatigen Stufenplans mithilfe von EU-Geldern aus dem kürzlich beschlossenen Förderpaket "ProClimActive" Schritt für Schritt umgesetzt werden, betrifft eine ganze Reihe von Maßnahmen den Wohn- und Bausektor. Vorbild für das Maßnahmenpaket ist unter anderem die sogenannte 2000-Watt-Gesellschaft – ein interdisziplinäres, energiepolitisches Modell der ETH Zürich, das in der Schweiz bereits seit mehreren Jahren Anwendung findet und das den Lebensstil und die durchschnittliche Pro-Kopf-Leistung bis 2050 von derzeit 2500 Watt (globaler Mittelwert) bzw. 6000 Watt (EU-Durchschnitt) auf 2000 Watt reduzieren soll. Hier die wichtigsten branchenbezogenen Punkte der KliNo 2021 im Überblick:
Wirtschaftsumbau
Die Umstellung der österreichischen Betriebe der Baubranche auf Klimaneutralität verlangt eine umfassende Adaptierung von Sortimenten, Lieferketten, Produktionsprozessen, Arbeitsabläufen und eine alternative Schwerpunktsetzung bei den zu bewältigenden Bauaufgaben. Die Bundesregierung unterstützt diese Umstellung mit einer Milliarde Euro, die zusätzlich zu den Geldern aus dem EU-Fonds ProClimActive zur Verfügung gestellt werden.
Memorandum für Baulandwidmung
Mit sofortiger Wirkung werden in den nächsten zehn Jahren keine Baulandwidmungen mehr vorgenommen. Die Versiegelung in bestehenden Siedlungsgebieten ist auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren. Siedlungsgrenzen sind einzuhalten. Über Widmungen entscheidet ab sofort nicht mehr die bürgermeisterliche Instanz, sondern Bund und Land.
Versiegelungsstopp
Sofortiger Versiegelungsstopp im ländlichen Raum und in städtischen Grünzonen. Systemerhaltend notwendige Versiegelungen dürfen nur noch mit einer entsprechenden Ersatz-Entsiegelung in zumindest gleichem Flächenausmaß vorgenommen werden. Zur Bewertung von Ver- und Entsiegelungsansuchen wird ein unabhängiger Flächenbeirat eingerichtet.
Sanierung und Rückbau
Brachliegende Immobilien sind vom Grundeigentümer entweder zu sanieren und in Nutzung zu bringen oder aber bis zur Bodenentsiegelung rückzubauen. Rückbau- und Entsorgungskosten müssen bei Planung, Errichtung und Verkauf transparent kommuniziert und in die Lebenszyklusberechnung ohne Ausnahme miteinbezogen werden.
Reduktion von Neubau
Neubau ist auf das nachweislich Notwendige zu beschränken. Eine potenzielle Gebäudemindestnutzungsdauer von 100 Jahren sowie ein flexibles Nachnutzungskonzept sind nachzuweisen. Zugunsten künftiger Sanierungszyklen sind Gebäudestruktur, Fassade, Haustechnik und Interieur modular bzw. voneinander leicht trennbar auszuführen.
Verbot von Verbundbaustoffen
Sofern materielle und technische Alternativen am Markt verfügbar sind, ist der Einsatz von nichttrennbaren und nichtrecyclingfähigen Verbundbaustoffen im Hochbau verboten. Lokalen und ökologischen Baustoffen mit regionaler Wertschöpfungskette und leichter Demontage sowie Rezyklierbarkeit ist der Vorrang zu geben.
Vereinheitlichung der Bauordnung
Zugunsten der Praktikabilität der Umsetzung werden alle neun Landesbauordnungen – mit Ausnahme von boden-, wind- und niederschlagsrelevanten Faktoren – zu einer österreichischen Bauordnung (ÖBO) zusammengeführt.
Novelle Stellplatznachweis
Die Notwendigkeit der Errichtung eines Pkw-Stellplatzes ist nachzuweisen. Ohne entsprechenden Nachweis dürfen nur noch Stellplätze für einspurige Fahrzeuge und/oder Elektrofahrzeuge samt E-Ladeanschluss errichtet werden. Nichtbenötigte Stellplätze sind rückzubauen.
Grüne Infrastruktur
Im Sinne des Mikro- und Kommunalklimas (Kühlung, Luftqualität, Entlastung des öffentlichen Kanalnetzes etc.) sind Neubauten und neue Siedlungsquartiere mit grüner Infrastruktur auszustatten (grüne Fassaden, Dachbegrünung, "Schwammstadt" etc.). Der Gebäudebestand ist dementsprechend nachzurüsten.
Verschattung
Je nach Bedarf und örtlicher Gegebenheit sind bauliche und/oder mechanische Verschattungsmaßnahmen vorzusehen. Bestehende Gebäude sollen im Zuge kommender Sanierungsmaßnahmen nachgerüstet werden. Bei gründerzeitlichen und denkmalgeschützten Bauten ist ein Schattengutachten bezüglich der Erhaltungswürde und des Verschattungsbedarfs nachzuweisen.
Heizen und Kühlen
Der gesamte Wärme-, Kühl- und Lüftungsbedarf für die Nutzung von Wohnen, Büro und Gewerbe ist im Niedertemperaturbereich bzw. verbrennungsfrei zu decken. Der elektrische Energiebedarf für diese Nutzungen ist erneuerbar und nach Möglichkeit lokal herzustellen.
Smart Grids
Um Bedarfsspitzen abzudecken und die Netze zu entlasten, wird die Errichtung von Smart Grids mit Mitteln von ProClimActive gefördert. Heterogene Nutzungszusammenschlüsse aus unterschiedlichen Assetklassen (Wohnung, Büro, Hotel, Gastgewerbe, Bildungsbau, Industrie, Infrastruktur) sind aus Effizienzgründen zu bevorzugen. Öffentliche und private Energieversorger müssen Einspeise- und Entnahmetarife angleichen.
CO2-Steuer
Wie im Bereich Konsum und Mobilität wird auch das Bauen und Wohnen CO2-versteuert. Fällig wird die CO2-Steuer (gestaffelte Steuerklassen) bei Neubaumaßnahmen, nichtklassifizierten und/ oder fossilen Energiequellen, bei über den festgesetzten Maximalwert hinausgehenden Energieverbrauchsmengen sowie im Erwerb und/oder Bewohnen von neu erbauten Einfamilienhäusern.
Energieverbrauch
Der jährliche Normenergieverbrauch wird abhängig von Haushaltsgröße, Warmwasseraufbereitung und Heiz- und Kühlbedarf auf einen entsprechenden Maximalwert festgesetzt. Darüber hinausgehende Verbrauchsmengen werden CO2-besteuert. Bis Jahresende müssen alle Haushalte und sonstige Miet- und Eigentumsverbände mit Smart Metern ausgestattet werden.
Miet- und Eigentumsrecht
Die Mietzinsrücklagenbildung umfasst ab sofort auch Maßnahmen zur thermischen und klimagerechten Sanierung. Eine qualifizierte Mehrheit an Gemeinschaftseigentümern reicht aus, um Verbesserungsmaßnahmen im Sinne des Klimaschutzes umzusetzen. Bei langfristigem Leerstand im Mietwohnbau (ab sechs Monaten) und lokalem Wohnbedarf fällt eine Leerstandsabgabe in der Höhe von 20 Prozent der marktüblichen Miete an. Die Leerstandsabgabe erhöht sich alle sechs Monate um weitere 20 Prozent.